Logbuch Etappe 9:
Nordküste Estland und Tallinn
von Dirhami nach Naissaare
2024-07-13 - 2024-07-21, 9 Tageseinträge, 62 sm.
Bei Dirhami machten wir wetterbedingt eine Wanderung durch die Wälder, anschliessen gab es eine (die einzige) Ankernacht in Estland. In der Stadt Tallinn blieben wir einige Tage (in der Noblessner-Marina), genossen die Stadt und die Velotouren. Wegen ungünstigen Winden besuchten wir eintägig Helsinki mit der Fähre. Die spätere Passage nach Finnland machten wir mit einem Zwischenstopp auf der estnischen Insel Naissaare direkt ins finnische Inselmeer ohne Umweg via Helsinki.
Samstag, 13.07.2024:
Dirhami - Dirhami, 0 sm.
Wetter: schwacher NE und schön und sehr warm, am Nachmittag bedeckt, am Abend Regen.
Wanderung auf der E9
Zu schwacher Wind aus der falschen Richtung: genau das Richtige, um nochmals hierzubleiben und eine Wanderung zu unternehmen.
Wir wanderten der Küste entlang und durch unendliche Wälder und bei vielen Sommer- und Ferienhäuschen oder -villen vorbei, mehr oder weniger auf der Küstenwanderroute E9 von Klaipeda nach Tallinn (1200km). Unterwegs kamen wir zum Leuchtturm Poosaspea bei Spithami vorbei, unser Ziel war der Aussichtsturm des Naturschutzgebietes Nova Peraküla. Der Strandweg war eher ruppig oder im Sand, so wanderten wir eher auf Waldwegen oder -strassen, wobei es auf der Naturstrasse erstaunlich viel Verkehr hatte. Der Wald war wunderschön, und es hatte unendlich viele Heidelbeeren, aber noch mehr Moskitos, pro Beere gab es einen Stich! Da sammelte nicht mal Elisabeth sehr viele Beeren.
Der Aussichtsturm war gerade mal 5m hoch und man sah auf einen Sumpf hinaus, im Frühling beim Brüten der Vögel vielleicht interessant, jetzt sahen wir ausser Schilf, Gras und Bäume nichts Besonderes.
Den Rückweg machten wir wegen der Mückenplage etwas schneller auf der Strasse mit Abkürzungen auf Forstwegen. Hier war die Karte auf dem Handy mit GPS sehr hilfreich. Nach fast 5 Stunden kamen wir zum Schiff zurück, wir freuten uns auf den Wind, der die Mücken fernhielt, und auf den Kaffee – und auf die Dusche.
Sonntag, 14.07.2024:
Dirhami - Lahepere Laht, 26 sm.
Wetter: S5-6 bedeckt, später SW3-4 bewölkt, am Abend windstill.
Vorwindsegeln zum Ankern
Als wir losfuhren, hatten wir starken Wind und wir segelten nur unter Genua im 2. Reff. Kaum aus der Ausfahrt, kam das kleine estnische Segelboot, das wir schon auf der Insel Vormsi im Hafen Sviby gesehen hatten. Und wir segelten gleich schnell! Sie hatten auch nur die Genua gesetzt, aber ohne Reff. Das kleine Boot ist natürlich weniger schwer. Doch als der Wind etwas sanfter wurde, rollten wir das ganze Segel aus und segelten davon.
Wieder einmal ankern! Der ausgewählte Ort in der Bucht Lahepere Laht scheint gemäss Wetterbericht geeignet zu sein. Aber die Bodenbeschaffenheit ist nicht wirklich klar, hier in Estland sind alle Buchten sehr seicht und mit Steinen durchsetzt. Zur Sicherheit setzten wir die Ankerboje, damit wir den Anker auch zwischen Steinen wieder herausziehen könnten. Aber wegen der flachen Bucht hatten wir grossen Abstand zum Ufer und den Bäumen.
Am späten Abend sahen wir hinter dem Horizont die grossen Segler auf der Route nach Westen segeln. Unzählige Schiffe machten an den Tall Ships Races mit, das übers Wochenende in Tallinn gefeiert wurde.
Montag, 15.07.2024:
Lahepere Laht - Tallinn, 26 sm.
Wetter: SW3 – NW4, meist sonnig.
In Tallinn angekommen
Obwohl wir so quasi mitten im See geankert hatten, verbrachten wir eine gute Nacht, ablandiger schwacher Wind, fast kein Schwell, kein Schiffsverkehr, keine lauten Nachbarn. Die heutige Segelreise war perfekt, nach dem Anker-auf-Manöver (inkl. Abspritzen der Kette und des Ankers) setzten wir nach 20 Metern das Genua, schalteten den Motor aus und segelten unter Vorwind der Estländischen Nordküste entlang. Etwas später setzten wir auch das Grosssegel, um vorwärts zu kommen, der Wind war nicht sehr stark.
Wir kamen offensichtlich zu einer Grossstadt: Es gab Tanker- und Cargoverkehr, wir erkannten grosse Industriegebiete mit Hafenanlagen, und wir konnten eine grössere Segelregatta beobachten. Und kurz vor der Marina sahen wir die Finnlandfähren und Kreuzfahrtschiffe, dahinter die Silhouette der Tallinn-Altstadt.
Nach dem Einchecken in der Noblessner-Marina und einem kleinen Hafentrunk machten wir mit Rucksack einen ersten Spaziergang durch die Umgebung. Das Hafenviertel Noblessner war früher eine U-Boot-Werft, heute hat es spannende neue Wohnhäuser, einige Restaurants und viel Platz für Anlässe (wie Tall Ships Races), und eben die Marina mit Gästeplätzen. Gerade dahinter liegen der Kalamaja-Park und das Kalamaja-Quartier mit den alten Mehrfamilien-Holzhäusern.
Und noch eine Strasse weiter hinten hatte es ein Velogeschäft! Sie hatten sogar einen 16-Zoll-Pneu, allerdings nicht in der Dicke, die für ein Brompton geeignet wäre; es wird aber umgehend bestellt, übermorgen können wir den Reifen haben. Und einige Meter weiter fanden wir dann noch den Rimi für den Einkauf, wir füllten beide Rucksäcke, denn die Vorräte sind fast aufgebraucht und der Kühlschrank leer.
Dienstag, 16.07.2024:
Tallinn - Tallinn, 0 sm.
Wetter: am Vormittag kurz Regen, dann wolkig bis sonnig und heiss (26°C).
Besichtigung Altstadt Tallinn
Nach dem Regen zogen wir los. Zuerst bei der Nachbarmarina mit dem Museumshafen und dem Seefahrtsmuseum vorbei und an der Küste und an alten Gebäuden und Befestigungen der alten Werft entlang, durch eine Neubausiedlung mit Wohnungen mit Meeresblick und auf einer stark befahrenen Strasse, so erreichten wir das letzte erhaltene Mittelalter-Tor der Stadtmauer, «dicke Margarete» genannt. Schon waren wir in der Altstadt.
Unzählige Bürgerhäuser aus vielen Zeitepochen, teils schon schön renoviert, teils werden sie gerade erneuert, säumen die Strassen. Zwischendurch hatte es auch noch mittelalterliche Mauern und Häuser, Tallinn war ja auch eine Hansestadt.
Auch gibt es sehr viele Kirchen. Wir schauten aber nur in die Olaikirche und in die Alexander-Newski-Kathedrale (russisch orthodox) hinein. Die Ratsapotheke (1422), eine der ältesten Apotheken der Welt, teils Museum, teils normale Apotheke mit antiker Möblierung, war interessant. Vom Domberg aus (hier steht auch das Castle Toompea, das heute als estnisches Parlamentsgebäude genutzt wird) war der Blick auf die Stadt hinunter, aufs Meer hinaus und auf die Hochhäuser im Osten spannend.
Kaffee und Kuchen gönnten wir uns im Café Maiasmokk in einem alten Gebäude mit vielen Räumen und viel Platz, eine Empfehlung des Dumont-Reiseführers.
So wälzten wir uns mit den Menschenmassen von Touristen in allen Sprachen, es war gerade ein Kreuzfahrschiff hier, den ganzen Tag durch die schöne Stadt.
Der Rückweg führte über den Markt, wo es Früchte und frisches Gemüse und Salat gab.
Und weil wir auch am Velogeschäft im Holzhäuserquartier Kalamaja vorbeikamen, schauten wir kurz hinein. Doch es gab eine herbe Enttäuschung. Der Pneu war gar nicht bestellt worden! Und es ist anscheinend nicht möglich, ihn diese Woche zu bekommen, ausser als Wintermodell mit Spikes.
Ziemlich müde und von der Hitze geschafft kamen wir zurück zum Boot.
Mittwoch, 17.07.2024:
Tallinn - Tallinn, 0 sm.
Wetter: meist schön und sehr warm, wenig Wind und einige Regentropfen.
Modernes Hafenquartier
Am späteren Morgen spazierten wir wieder in die Stadt und besuchten einen anderen Veloladen, der auch Velos vermietet. Der Werkstattchef war super engagiert und hatte einen Lieferanten gefunden, der unseren Brompton-Pneu bis Freitag liefern kann. Wir haben auch gleich bezahlt und hoffen nun das Beste.
Der Spaziergang führte uns auf die andere Seite der Altstadtmauer zum Hafen. Der Hafen wird mit einem Masterplan umgebaut, es gibt 4 Fährenpiers und 4 Cruiser-Piers mit neuen Terminals und eine Small-Boat-Marina, sehr viele Geschäftshäuser, Einkaufscenters, Restaurants und Cafés, Läden um die Hafenbecken inkl. breite Fussgängerpromenade, Velowege und ein Tramtrassee. Vieles ist noch nicht fertig, es hat immer noch Brachflächen, aber der Hafen sieht heute schon sehr modern aus. Und es hat eine Unmenge von Leuten, obwohl heute gar kein Kreuzfahrtschiff dasteht, offenbar alles Passagiere der Fähren (Helsinki, Stockholm).
Vor dem angekündigten Gewitter, das nicht kam, waren wir wieder auf dem Boot und schauten die Planung für die nächsten paar Tage an.
Donnerstag, 18.07.2024:
Tallinn - Tallinn, 0 sm.
Wetter: am Morgen leicht bewölkt, später immer wieder kurze Schauer.
Veloausflug in Tallinns Aussenquartieren
Gestern reservierten wir noch ein Velo für Elisabeth. Wir pedalten nach Pirita, wo der ehemalige Olympiahafen liegt (und wo es auch den – einzigen von Estland -Yachtshop hat). In Pirita hat es auch eine Ruine des Brigittenklosters (Pirita kloostri), aber da konnte man wegen Renovationsarbeiten nicht rein. Auf dem Rückweg machten wir einen Stopp beim eindrücklichen Memorial to the victims of Communism vom WW2 im Park Maarjamäe mälestusväli (Gedenken an die Tausende Opfer des Kommunismus). Daneben liegt auch ein Friedhof von deutschen Soldaten und ein russisches Denkmal vom WW1.
Der nächste Stopp war beim barocken Schlösschen Kadriorg (heisst Katharinental, gegründet 1718 von Zar Peter I.) und dem riesigen umgebenden Park. Hier wurden wir das erste Mal verregnet, konnten aber in einer Kiwi- /Wilden Wein-Laube unterstehen. Anschliessend folgte eine sehr urbane Velofahrt durchs Quartier mit den Büro-Hochhäusern, hier war die sonst gute Veloinfrastruktur eher unbedeutend, d.h. wir fuhren lange auf dem Trottoir. Ok, es wird gerade sehr viel gebaut an den Strassen, vielleicht gibt es hier in einem Jahr auch eine vorbildliche Veloroute.
Wir staunten über den vielen Verkehr auf dieser Stadtseite. In den dem Meer zugewandten Quartieren gibt es viel mehr Wohnhäuser und beruhigte Strassen und markant ruhigeren und weniger Verkehr. Im Aussenquartier Kristiine fanden wir einen Lidl für Einkäufe, und dann gings wieder quer durch die Stadt mit und ohne Veloweg zu unserer Marina Noblessner zurück, manchmal mit Pause, um den Regenschauer durchzulassen.
Dieser Veloausflug war spannend, wir sahen Anderes von Tallinn als die Kreuzfahrttouristen, die nur die Altstadt sehen.
Freitag, 19.07.2024:
Tallinn - Tallinn, 0 sm.
Wetter: meist stark bewölkt, kurze Regenschauer, stürmischer SW.
Velo funktioniert wieder
Um 11 Uhr musste das Mietvelo zurückgegeben werden. Und es kam der spannende Moment: die bestellten Reifen fürs Brompton waren da! Das war ein perfekter Service von Citybike (auch das Mietvelo war ok, die Reifen gar Schwalbe Marathon).
Erleichtert machten wir einen Umweg über die Altstadt, wo heute sehr viele Menschen aus aller Welt da waren. Es folgte ein kurzer Einkauf auf dem Markt und im «Selfer» und der Spaziergang mit vollem Rucksack zurück zum Boot. Der Pneuwechsel am Nachmittag musste wegen Starkwind im Cockpit sein!
Weil der Wind nach Helsinki für morgen und auch die folgenden Tage nicht optimal ist, werden wir morgen die Fähre nehmen und Regina bleibt hier in Tallinn.
Samstag, 20.07.2024:
Tallinn - Tallinn, 0 sm.
Wetter: immer wieder Regenschauer.
Besuch Helsinki mit Fähre
Die allererste Fähre wäre gar früh gewesen, wir sahen sie beim frühstücken zwischen den Inseln verschwinden. Mit dem Velo war es dann angenehm schnell, zum Fährenhafen zu kommen. Es hatte eine sehr lange Menschenkolonne, das Gate öffnete eine halbe Stunde vor Abfahrt, und 10 Minuten vor Termin fuhr die Fähre bereits ab, offenbar alle Leute und Autos eingeladen, die das gültige Billet hatten. Nach etwas mehr als 2 Stunden erreichten wir Helsinki.
Wir waren sehr froh, dass wir unsere Bromptons mitgenommen hatten, nur schon der Weg zum Tourismus-Büro (wir brauchten einen Stadtplan und eine Liste der Sightseeing-Highligths) in der Innenstadt war sehr weit. Allerdings waren nicht alle Pflasterstein-Strassen zum Velofahren geeignet, aber auf den bezeichneten Velorouten war meist ein Streifen asphaltiert oder mit «modernen» Platten versehen.
Quer durch die Innenstadt fuhren wir durch verschiedenartige Quartiere nach Westen zu einem Quartier auf einer Insel, wo wir einen grossen Yachtshop besuchen wollten, uns fehlte für einen kleinen Teil Finnlands die Papierkarte und der Hafenführer. Allerdings waren genau diese beiden Dinge ausverkauft, da bald Saisonende ist. Und beim Verlassen des Shops begann es zu regnen. Es reichte knapp zu einem kleinen Café, wo wir das ganze Gewitter durchlaufen liessen.
Wir fuhren über die nassen Strassen durch Aussenquartiere zum Sibelius-Park und dem Monument, später zum Olympiastadion, und dort bestiegen wir den Aussichtsturm, während es wieder ausgiebig regnete. Durch die Aussenquartiere kamen wir wieder zu den Häfen (auch Gästehäfen mit noch leeren Plätzen), fuhren an der orthodoxen Uspenski-Kathedrale vorbei wieder in die Innenstadt und parkierten die Velos beim Hauptbahnhof. Von hier gingen wir zu Fuss weiter, bewegten uns in der belebten Fussgängerzone im Quartier Kamppi und fanden ein Restaurant. Die Velofahrt zur Fähre war nicht lang, zu Fuss wäre es doch recht weit gewesen.
Auch hier im Terminal warteten sehr viele Leute in der Schlange, aber offenbar konnten alle in kürzeste Zeit einsteigen, die Fähre fuhr wieder etwas zu früh ab. In Tallinn war es noch nicht stockdunkel, aber die Lampen am Velo waren sinnvoll. Kurz nach Mitternacht waren wir wieder zu Hause auf unserem Schiff.
Sonntag, 21.07.2024:
Tallinn - Naissaare, 10 sm.
Wetter: bewölkt, aber trocken, später sonnig, NE4.
Zwischenhalt auf ehemaliger Militärinsel
Weil Gewitter angesagt waren, wollten wir nicht früh los. Auch mussten wir uns noch von gestern erholen.
Das Gewitter verzog sich und kam nicht. Wir freuten uns aufs Weitersegeln und bei diesem Wind segelten wir schnell. Zur Insel nördlich von Tallinn war es ja nicht weit. Als wir in den Hafen kamen, war der Gästesteg ausgebucht. Ein netter Segler, wir dachten, es wäre der Hafenmeister, wies uns den einzigen freien Platz zu.
Nach dem Bezahlen im Hafenbüro machten wir uns auf zu einer Inselwanderung. Der Weg führte erst durch den Kiefernwald und Dünen mit Blick aufs Meer. Auf weichem Sandboden war es angenehm zu laufen und der Wind kühlte uns etwas, es war ziemlich warm heute. Nach dem Leuchtturm an der Südspitze der Insel mit Blick auf Tallinn ging es weiter in den Wald hinein und es gab plötzlich Tannen und Heidelbeeren (aber es war keine Zeit zum Pflücken und auch kein Gefäss dabei).
Und dann tauchten zerstörte Bunker und andere Kriegsbauten zwischen den Bäumen auf. Hier war zur Sowjetzeit Militär und eine Seeminenfabrik. Und weiter in der Inselmitte standen mehrere alte, ausgediente Lastwagen, Seeminen, ein alter Zug, alte, zerfallene Häuser und Sonstiges. Die Lastwagen werden teilweise noch gebraucht, um Touristen zu transportieren. Ein Militärmuseum gab es auch, aber das war schon geschlossen.
Auf dem Natursträsschen wanderten wir wieder zurück zum Hafen. Inzwischen waren viele Wochenendbesucher losgefahren und es gab wieder freie Plätze.